New Leadership: Führung in digitalen Zeiten – Wie Digitalisierung, KI und Führung psychologisch zusammenspielen
Die digitale Transformation stellt nicht nur technische Systeme, sondern auch Menschen in Organisationen vor tiefgreifende Veränderungen. Dabei treten Digitalisierung, künstliche Intelligenz (KI) und neue Führungsstile nicht unabhängig voneinander auf, sondern bedingen sich gegenseitig. Aus psychologischer Perspektive ergeben sich dabei Chancen, aber auch Risiken, die nicht zuletzt von der Art der Führung beeinflusst werden.
Digitale Technologien und KI-Systeme verändern die Arbeitswelt grundlegend – durch Automatisierung, datengetriebene Entscheidungen und neuartige Formen der Zusammenarbeit. Zugleich wird von Führungskräften erwartet, dass sie flexibel, partizipativ und werteorientiert führen. Dieses sogenannte „New Leadership“ umfasst unter anderem transformationale und agile Führungsansätze, die auf Vertrauen, Sinnstiftung und Selbstorganisation setzen (Bass & Riggio, 2006; Yukl, 2013). Damit reagiert New Leadership auf einen psychologischen Grundmechanismus: Menschen akzeptieren Wandel eher, wenn sie sich als kompetent, verbunden und autonom erleben (Deci & Ryan, 2000).
KI-Systeme können Führung erleichtern, indem sie Muster erkennen, Entscheidungen vorbereiten oder Feedback automatisieren. Doch sie können auch Autorität untergraben oder Intransparenz schaffen. Studien zeigen, dass Mitarbeitende algorithmische Entscheidungen nur dann akzeptieren, wenn sie als nachvollziehbar und fair empfunden werden (Lee, Kim & Lankton, 2016). Das psychologische Konzept der „explainable AI“ gewinnt daher auch für die Führung an Relevanz – nicht nur technisch, sondern auch kommunikativ.
In der Praxis zeigt sich: Es ist nicht die KI, die Führung ersetzt, sondern die Art der Führung, die darüber entscheidet, ob digitale Werkzeuge produktiv oder destruktiv wirken. Der psychologische Führungsstil wirkt moderierend auf die Wahrnehmung von Kontrolle, Transparenz und Selbstwirksamkeit. Gute digitale Führung zeichnet sich daher nicht durch Technikverständnis allein aus, sondern durch die Fähigkeit, Mensch und Maschine in Beziehung zu setzen – verständnisvoll, vorausschauend und lernbereit.
Diese Erkenntnis führt zu einer Neubewertung von Führung: Sie wird zur Schnittstelle zwischen organisationaler Resilienz, digitaler Innovation und psychologischer Sicherheit. Wer hier erfolgreich sein will, braucht neben fachlicher Kompetenz vor allem mentale Präsenz, Ambiguitätstoleranz und kommunikative Exzellenz – Fähigkeiten, die im Kontext von KI und Digitalisierung zur eigentlichen Leadership-Kompetenz der Zukunft werden.
Literaturverzeichnis
Bass, B. M., & Riggio, R. E. (2006). Transformational leadership (2nd ed.). Mahwah, NJ: Lawrence Erlbaum.
Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2000). The "what" and "why" of goal pursuits: Human needs and the self-determination of behavior. Psychological Inquiry, 11(4), 227–268. https://doi.org/10.1207/S15327965PLI1104_01
Lee, J., Kim, S., & Lankton, N. K. (2016). The impact of interface characteristics on trust in and acceptance of an automated driver assistance system. Behaviour & Information Technology, 35(7), 573–586. https://doi.org/10.1080/0144929X.2016.1177266
Yukl, G. (2013). Leadership in Organizations (8th ed.). Pearson Education.