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Es werden Posts vom Juni, 2025 angezeigt.

Fiktiver Dialog: Safety-I trifft Safety-II – Vier Perspektiven auf Sicherheit

In einem imaginären Konferenzraum treffen sich vier Fachleute – ein Pilot, ein Mitarbeiter eines Kernkraftwerks, ein Chemieingenieur und ein Psychologe – zu einer Diskussionsrunde über Safety-I und Safety-II. Die Debatte beginnt angeregt: Pilot: „Also ich komme aus der klassischen Safety-I-Welt. Sicherheit bedeutet für uns: Fehler vermeiden, Zwischenfälle analysieren und Maßnahmen ergreifen, um Wiederholungen zu verhindern. Alles ist darauf ausgelegt, Risiken zu kontrollieren.“ Kernkraftwerksmitarbeiter: „Das ist bei uns nicht anders. Unser gesamtes System basiert auf dem Prinzip: Wenn nichts passiert, ist das gut. Jede Abweichung ist ein potenzielles Risiko. Wir leben von Prävention, Redundanz und dem Worst-Case-Denken.“ Chemieingenieur: „Stimmt – bei uns gibt es kaum Spielraum für Experimente. Unsere Sicherheitsphilosophie basiert auf dem Ausschluss von Variabilität. Der Gedanke, dass Menschen kreativ mit Problemen umgehen, ist uns eher suspekt. Die Prozesse müssen laufen, wie ...

Der Broken-Windows-Effekt – Wie Unordnung das Verhalten formt

Der Broken-Windows-Effekt beschreibt das sozialpsychologische Phänomen, dass bereits geringfügige Anzeichen von Verwahrlosung oder Normverletzung in der Umwelt – wie z. B. zerbrochene Fensterscheiben, Graffiti oder Müll – das Verhalten von Menschen nachhaltig beeinflussen und weitere Regelverstöße begünstigen. Die Metapher geht auf eine Hypothese von Wilson und Kelling (1982) zurück, die später in empirischen Studien von Kees Keizer und Kolleg:innen an der Universität Groningen überprüft und bestätigt wurde (Keizer, Lindenberg & Steg, 2008). Im Kern beschreibt der Effekt einen kognitiven Rückkopplungsprozess : Sichtbare Zeichen von Regelverstößen signalisieren, dass soziale Normen in einem bestimmten Raum nicht durchgesetzt werden – was wiederum die Bereitschaft erhöht, selbst gegen Regeln zu verstoßen. In einem der bekanntesten Experimente der niederländischen Forschungsgruppe wurde ein Briefkasten untersucht: Sobald Graffiti in der Umgebung zu sehen waren, stieg die Wahrscheinli...

Endurance. Terra Nova. Fram. Drei Schiffe – Drei Führungsstile – Eine Psychologie der Extremsituation

Ein psychologischer Vergleich dreier historischer Antarktisexpeditionen – Ernest Shackleton, Robert Falcon Scott und Roald Amundsen – bietet ein ebenso dramatisches wie instruktives Tableau für Führungsverhalten unter extremen Bedingungen. Jede dieser Expeditionen spiegelt unterschiedliche Persönlichkeiten, Zielsetzungen, Führungsstile und psychologische Dynamiken wider. Sie zeigen, wie Teamführung, Entscheidungsverhalten, Risikomanagement und mentale Resilienz über Leben und Tod entscheiden können – und werfen damit auch die Frage auf, wie heutige Technologien wie Künstliche Intelligenz in vergleichbaren Lagen unterstützen oder scheitern könnten. Ernest Shackleton – Die Endurance -Expedition (1914–1917) Vita & Ziel: Shackleton, britischer Polarforscher mit Charisma und großem Ruf, hatte bereits an früheren Expeditionen teilgenommen. Ziel war die erste Durchquerung des antarktischen Kontinents. Rahmenbedingungen & Verlauf: Das Schiff Endurance fror im Weddellmeer ein und ...

Psychologische Anforderungen an die Mensch-Maschine-Interaktion im Lichte der neuen EU-Maschinenverordnung (Verordnung (EU) 2023/1230)

Die neue EU-Maschinenverordnung (Verordnung (EU) 2023/1230) markiert einen Paradigmenwechsel in der sicherheitsgerichteten Regulierung technischer Systeme. Erstmals wird der psychologischen Dimension der Mensch-Maschine-Interaktion in einem europäisch verbindlichen Rechtsrahmen explizit Rechnung getragen. Dies betrifft insbesondere KI-gestützte, adaptive oder autonome Maschinen, deren Verhalten nicht nur deterministisch, sondern kontextsensitiv und lernfähig ist. Die Verordnung tritt am 20. Januar 2027 in Kraft und ersetzt die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG. Anders als ihr Vorgänger hat sie unmittelbare Gültigkeit in allen EU-Mitgliedstaaten und verpflichtet Hersteller, Inverkehrbringer und Betreiber gleichermaßen. Neben klassischen Aspekten wie CE-Kennzeichnung, Konformitätsbewertung und Gefährdungsanalyse rückt sie neue Felder in den Fokus: digitale Betriebsanleitungen, sicherheitskritische Software, KI-basierte Entscheidungsunterstützung sowie Cybersecurity. Zentral ist dabei die ...