Der Assimilationseffekt, auch als Angleichungseffekt oder Reflected-Glory-Effekt bekannt, beschreibt ein psychologisches Phänomen, bei dem die Bewertung eines neutralen oder weniger bekannten Objekts durch seine Nähe zu einem bereits positiv (oder negativ) bewerteten Objekt systematisch beeinflusst wird. Die Einschätzung des Zielobjekts wird dabei in Richtung des Bezugsobjekts verschoben – es wird also assimiliert. Besonders deutlich zeigt sich dieser Effekt im Marketing und in der sozialen Wahrnehmung.
Typischerweise tritt der Assimilationseffekt im Kontext von Co-Branding auf. Wird ein neues oder wenig bekanntes Produkt gemeinsam mit einer starken, positiv konnotierten Marke präsentiert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es ebenfalls positiv bewertet wird. Ein klassisches Beispiel ist die Markenevolution bei Apple: Nach dem erfolgreichen iPod wurde das iPhone nicht nur als technologische Weiterentwicklung, sondern als Teil einer übergeordneten Qualitäts- und Innovationskette wahrgenommen – obwohl es sich um eine völlig neue Produktkategorie handelte. Der positive Eindruck des iPods strahlte auf das iPhone ab, was dessen Markteintritt erleichterte (Simonin & Ruth, 1998).
Psychologisch basiert der Effekt auf dem Bedürfnis nach kognitiver Kohärenz und kategoriebasierter Verarbeitung. Wenn zwei Objekte gleichzeitig präsentiert oder inhaltlich verbunden werden, neigen Menschen dazu, sie gemeinsam zu bewerten und Unterschiede zu reduzieren – insbesondere dann, wenn eine differenzierte Bewertung kognitiv aufwendig wäre oder relevante Vergleichsmaßstäbe fehlen.
Der Assimilationseffekt wirkt jedoch nicht nur auf Produkte, sondern auch auf soziale Bewertungen. In der politischen Kommunikation etwa lassen sich Politikerinnen und Politiker bewusst mit prominenten, erfolgreichen oder beliebten Persönlichkeiten fotografieren – um von deren Image zu profitieren. Studien zur sozialen Wahrnehmung zeigen, dass bereits ein kurzes gemeinsames Auftreten mit einer attraktiven oder angesehenen Person die Bewertung eines Kandidaten messbar beeinflussen kann (Cialdini et al., 1976).
Anders als beim Kontrasteffekt, der Unterschiede hervorhebt und Bewertungen voneinander weg verschiebt, führt der Assimilationseffekt zur Annäherung von Urteilen – eine Tendenz, die vor allem in Kontexten mit emotionaler oder symbolischer Aufladung wirksam wird.
In organisationalen Zusammenhängen kann dieser Effekt sowohl nützlich als auch gefährlich sein: Neue Produkte, Teams oder Führungskräfte profitieren kurzfristig vom positiven Image etablierter Strukturen. Langfristig besteht jedoch die Gefahr, dass solche Imagetransfers substanzielle Defizite überdecken oder unkritisch übernommen werden.
Quellen (APA-Stil):
Cialdini, R. B., Borden, R. J., Thorne, A., Walker, M. R., Freeman, S., & Sloan, L. R. (1976). Basking in reflected glory: Three (football) field studies. Journal of Personality and Social Psychology, 34(3), 366–375. https://doi.org/10.1037/0022-3514.34.3.366
Simonin, B. L., & Ruth, J. A. (1998). Is a company known by the company it keeps? Assessing the spillover effects of brand alliances on consumer brand attitudes. Journal of Marketing Research, 35(1), 30–42. https://doi.org/10.2307/3151928