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Vorhersehbare Fehlbedienung : Maschinenrichtlinie und der neuen Maschinenverordnung

In der Analyse der Maschinenrichtlinie und der neuen Maschinenverordnung ist es wichtig, die relevanten Vorschriften und ihre Interpretationen in Bezug auf vorhersehbare Fehlbedienung zu verdeutlichen.

Alte Maschinenrichtlinie (2006/42/EG)


Die Maschinenrichtlinie 2006/42/EG betont die Bedeutung der Berücksichtigung von Risiken, die durch Fehlbedienung entstehen könnten: „Der Hersteller oder sein Bevollmächtigter hat sicherzustellen, dass eine Risikobeurteilung vorgenommen wird, um die für seine Maschine geltenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen festzustellen. Die Maschine ist dann unter Berücksichtigung dieser Beurteilung zu entwerfen und zu bauen. Dabei sind auch mögliche Fehlanwendungen, die in der Praxis vorhersehbar sind, zu berücksichtigen“ (Europäische Union, 2006, Art. 1, Anhang I, Abschnitt 1.1.2).

Neue Maschinenverordnung (EU) 2023/1230

Die neue Verordnung (EU) 2023/1230 geht detaillierter auf das Thema ein und fordert, dass die Risikobewertung eine systematischere und fortlaufende Praxis wird: „Die Hersteller müssen sicherstellen, dass die Risikobeurteilung auf dem neuesten Stand gehalten wird und dass alle Risiken, einschließlich derjenigen, die sich aus der vorhersehbaren Fehlanwendung der Maschine ergeben, während des gesamten Lebenszyklus der Maschine angemessen berücksichtigt werden“ (Europäische Union, 2023, Art. 9, Anhang III, Abschnitt 1.1.2).

Typische Situationen in der alten Maschinenrichtlinie (2006/42/EG)

1. Nutzung entgegen der Anweisungen: Eine der am häufigsten genannten Situationen bezieht sich auf die Verwendung der Maschine entgegen den in der Bedienungsanleitung beschriebenen Anweisungen. Dies kann zum Beispiel die Verwendung der Maschine für andere Zwecke als die vorgesehenen umfassen.

2. Unzureichende Wartung: Fehlbedienungen können auch durch unzureichende oder falsche Wartung entstehen, insbesondere wenn die Wartung nicht gemäß den Herstelleranweisungen durchgeführt wird.

3. Unkenntnis der Bediener: Eine weitere typische Situation ist die Nutzung der Maschine durch ungeschulte oder unzureichend informierte Bediener, die die Funktionsweise und die potenziellen Risiken nicht vollständig verstehen.

4. Manipulation von Sicherheitseinrichtungen: Die Entfernung oder Umgehung von Sicherheitsvorrichtungen durch den Benutzer wird ebenfalls als vorhersehbare Fehlbedienung betrachtet, da dies in der Praxis häufig vorkommen kann.

Typische Situationen in der neuen Maschinenverordnung (EU) 2023/1230

1. Unbeabsichtigte Aktivierung: Eine häufige Situation ist die unbeabsichtigte Aktivierung von Maschinenfunktionen, zum Beispiel durch unabsichtliche Berührungen oder Fehlinterpretation von Steuerungselementen.

2. Verwendung von ungeeignetem Zubehör: Die Nutzung von nicht freigegebenem oder ungeeignetem Zubehör, das nicht für die spezifische Maschine vorgesehen ist, wird als eine vorhersehbare Fehlbedienung betrachtet.

3. Arbeiten unter nicht vorgesehenen Bedingungen: Der Betrieb der Maschine unter Bedingungen, für die sie nicht ausgelegt ist (z. B. extreme Temperaturen, hohe Luftfeuchtigkeit), wird ebenfalls als typische Fehlbedienungssituation betrachtet.

4. Nichtbeachtung von Warnhinweisen: Die Missachtung von Sicherheits- und Warnhinweisen, die in der Bedienungsanleitung oder direkt an der Maschine angebracht sind, stellt eine typische Fehlbedienung dar.

5. Fehlende oder unzureichende Schulung: Ebenso wird die Nutzung der Maschine durch Personen, die keine angemessene Schulung erhalten haben, in der neuen Verordnung als potenzielle Fehlbedienungssituation hervorgehoben.

Vergleich

Die alte Maschinenrichtlinie konzentriert sich stärker auf allgemeine Fehlbedienungen wie die Missachtung von Anweisungen und unzureichende Wartung. Die neue Maschinenverordnung hingegen geht spezifischer auf konkrete Situationen ein, wie die unbeabsichtigte Aktivierung oder die Verwendung unter ungeeigneten Bedingungen. Diese Erweiterung und Präzisierung spiegeln den gestiegenen Fokus auf die Sicherheit und die Vermeidung von Fehlbedienungen durch detaillierte Risikoanalyse und präventive Maßnahmen wider.

Kriterien in der alten Maschinenrichtlinie (2006/42/EG)

1. Risikobeurteilung: Hersteller müssen eine Risikobeurteilung durchführen, bei der „mögliche Fehlanwendungen, die in der Praxis vorhersehbar sind“, berücksichtigt werden müssen (Europäische Union, 2006, Anhang I, Abschnitt 1.1.2).

2. Gestaltung der Maschine: Die Maschine muss so gestaltet und gebaut werden, dass „Gefahren, die durch vorhersehbare Fehlanwendungen entstehen können“, minimiert werden (Europäische Union, 2006, Anhang I, Abschnitt 1.1.2).

3. Benutzerinformation: Die Richtlinie fordert, dass die Gebrauchsanleitung „klar und verständlich“ über die richtigen Einsatzbedingungen informiert, um Fehlanwendungen vorzubeugen (Europäische Union, 2006, Anhang I, Abschnitt 1.7.4.2).

Kriterien in der neuen Maschinenverordnung (EU) 2023/1230

1. Fortlaufende Risikobeurteilung: Die Risikobeurteilung muss während des gesamten Lebenszyklus der Maschine durchgeführt und aktualisiert werden. Dabei müssen „alle Risiken, einschließlich derjenigen, die sich aus der vorhersehbaren Fehlanwendung der Maschine ergeben, angemessen berücksichtigt werden“ (Europäische Union, 2023, Anhang III, Abschnitt 1.1.2).

2. Systematische Risikoidentifikation: Hersteller müssen „eine systematische Risikoidentifikation und -bewertung vornehmen“, um auch weniger offensichtliche Risiken, die durch Fehlanwendungen entstehen können, zu erfassen und entsprechende Maßnahmen zur Risikominderung zu treffen (Europäische Union, 2023, Anhang III, Abschnitt 1.1.2).

3. Konstruktionsmaßnahmen: Die Konstruktion der Maschine muss darauf ausgelegt sein, dass „Fehlanwendungen, die vernünftigerweise vorhersehbar sind, durch konstruktive Maßnahmen verhindert oder minimiert werden“ (Europäische Union, 2023, Anhang III, Abschnitt 1.1.2).

4. Erweiterte Benutzerinformation: Neben der Bereitstellung von klaren und verständlichen Informationen zur Vermeidung von Fehlanwendungen müssen auch „zusätzliche Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen“ für die Benutzer in Betracht gezogen werden, um das Risiko von Fehlbedienungen zu minimieren (Europäische Union, 2023, Anhang III, Abschnitt 1.7.4).

Vergleich und Bewertung

Der Übergang von der alten zur neuen Verordnung zeigt eine Verschärfung und Systematisierung der Anforderungen. Wie in der neuen Verordnung ausgeführt: „Die Hersteller haben die Pflicht, nicht nur die offensichtlichen Gefahren zu identifizieren, sondern auch solche, die aus vorhersehbaren Fehlanwendungen resultieren könnten, und geeignete Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen“ (Europäische Union, 2023, Art. 9, Anhang III, Abschnitt 1.1.2).

Referenzen

Europäische Union. (2006). Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Maschinen und zur Änderung der Richtlinie 95/16/EG. Amtsblatt der Europäischen Union.

Europäische Union. (2023). Verordnung (EU) 2023/1230 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2023 über Maschinen und zur Aufhebung der Richtlinie 2006/42/EG. Amtsblatt der Europäischen Union.

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